Enrico Troebst
Moderation Training Change








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"Gruppendynamik"

Gelegentlich höre ich von TeilnehmerInnen meines Unterrichts und meiner Seminare, dass sie eine „interessante“ oder „gute Gruppendynamik“ erlebt hätten. Damit ist regelmäßig gemeint: „Wir haben als Teilnehmende einen verbindlichen Kontakt zueinander gefunden und in überraschender Weise voneinander lernen können.“

In der Tat ist es mein Anliegen, jene besonderen Möglichkeiten zu nutzen, welche die Zusammenkunft in einer Gruppe beim Lernen bietet. Schließlich haben wir uns gemeinsam hierher auf den Weg gemacht anstatt allein zuhause ein Buch zum Thema zu lesen!

An der Berufsfachschule, an der Hochschule sowie in politik- und kirchennahen Bildungsstätten erfahre ich: Meine Teilnehmer bringen Fachwissen mit, sie haben persönliche Erfahrungen mit dem angekündigten Thema, und sie positionieren sich auf begründeten Standpunkten. Was ich Neues anbieten kann, das muss unter diesen guten Voraussetzungen somit erst einmal Jeder und Jede für sich selbst auf eine Verwendbarkeit hin prüfen können.

Die Gruppe ist ein idealer Ort für diese Überprüfung, wenn die Teilnehmenden sich aufeinander beziehen und gegenseitige Wahrnehmungen austauschen. Dann werden neue Perspektiven angeregt und Haltungen erprobt, die als Erfahrungswissen integriert werden können. Ich richte meine Aufmerksamkeit darauf, solche Lernprozesse zu ermöglichen und stelle dabei meine eigenen Wahrnehmungen als Feedback zur Verfügung.

Als Gruppenleiter nutze ich Erfahrungen und Kenntnisse, die ich in einer besonderen Veranstaltungsform gewinnen konnte: dem „Gruppendynamischen Training“. Es handelt sich um ein spezielles Arrangement, das mir Selbsterfahrungs-Lernen zu meinem Verhalten in Gruppen-Arbeitssituationen ermöglicht. Zugleich kann ich eine Forschungsperspektive einnehmen: wie kommt die Gruppe auf der Beziehungsebene in Gang, was treibt sie um, wie finden und wechseln ich und die anderen unsere Rollen usw.

Wie gesagt: das Gruppendynamische Training ist für meine Weiterbildung als Dozent wichtig – es ist nicht die Veranstaltungsform meiner eigenen Angebote. Allerdings nehme ich an, dass für einige Leser Hinweise zu diesem Hintergrund interessant sein mögen. Diese werden die „Einführung in die Gruppendynamik“ von Oliver König und Karl Schattenhofer sehr nützlich finden. Über Gruppendynamische Trainings informiert der Veranstaltungskalender der Deutschen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsdynamik DGGO.

Schließlich meine gewissermaßen paradoxe Empfehlung, einem Kritiker zuzuhören. „Wir wollen heute abend über das Thema 'Gruppendynamik - Hintergründe und Beurteilungen' reden“ spricht Lothar Gassmann sein offenkundig gestelltes Publikum an. Tatsächlich redet er dann ganz allein. Dabei nimmt er es mit seinem Thema nicht sehr genau, wenn er Eric Bernes Transaktionsanalyse, Ruth Cohns Themenzentrierte Interaktion, Carl Rogers' Klientenzentrierte Gesprächsführung und Jacob L. Morenos Psychodrama gemeinsam der von Kurt Lewin begründeten Gruppendynamik zurechnet.

Der evangelikale Publizist kann sich Selbsterfahrungs-Lernen nur als eine Abkehr von seinen religiösen Gewissheiten vorstellen - und ignoriert damit jene Pfarrer und Ordensleute, die unbeschadet ihrer Glaubensüberzeugungen an Gruppendynamischen Trainings teilnehmen bzw. diese als ausgebildete Trainer anleiten. Der kuriose Vortrag von 1986 enthält viele unsinnige Darstellungen und Deutungen. Er erinnert aber auch an den gesellschaftspolitischen Kontext, in dem die Gruppendynamik in den 1970er Jahren in Westdeutschland und Berlin (West) in Erscheinung getreten ist.